"EinBlick" – mit Anmerkungen des Hauptvorstandes

Mit diesem Bild lädt der Landeskirchenrat ALLE Hauptamtlichen zu 90 Minuten zoom ein, „um ins Gespräch zu kommen“. Beigelegt war ein zweiseitiges Infoblatt, das wir hier einstellen, damit die Information alle erreicht. 

Wir – das ist der Hauptvorstand des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereines – haben dazu einige Anmerkungen (kursiv) gemacht. Jede Farbe steht für eine mitdenkende Person.
Der Text aus dem Infoblatt ist in schwarzer Schrift gesetzt.

Viel Spaß beim Mitlesen und Mitdenken!

 

Der Hauptvorstand

 

Eine Einladung an alle Hauptamtlichen Mitarbeitenden in der ELKB ist ein Novum. Als Anlass werden der Wandel bzw. der Rückgang von Kirchenmitgliedern, der Kirchensteuereinnahmen und des Personalbestandes genannt. Trotz sinkender Finanzmittel wolle der Landeskirchenrat von Entlassungen absehen. Eine Einladung zu einer Betriebsversammlung mit einer solchen Botschaft löst indes bei den Beschäftigten auch große Ängste aus.

Umso erstaunlicher ist es, dass Personalreferent Stefan Reimers in der letzten Sitzung der Pfarrerkommission vor einem Monat weder diese Versammlung noch die anscheinend dramatische Situation unserer Landeskirche erwähnt hat. Andere Berufsvertretungen haben uns mitgeteilt, dass sie über diesen Termin ebenso erstaunt waren. Die Einladung wurde über die Dekanate per Mail verschickt und hat die Mitarbeitenden-Vertretungen nur über Umwege erreicht.

Eine Einladung per zoom an ALLE Hauptamtlichen?! Allein die verbeamteten Mitarbeitenden wären ca. 4.500, dazu jede Menge SekretärInnen, Verwaltungsmitarbeitende, etwa 20.000 ErzieherInnen usw. Angesichts dieser Menge fragt man sich, wer eigentlich gemeint ist, wie viele Menschen gleichzeitig an einer zoom-Konferenz teilnehmen können – und wonach gegebenenfalls entschieden wird, wer reinkommt und wer nicht.

 In meinem Umfeld haben KollegInnen und andere MA bereits abgewunken. Sie gehen nicht davon aus, dass sie eine Chance hätten, fühlen sich nicht gemeint und fragen sich, was in so kurzer Zeit gesagt werden kann, das sie nicht auch nachlesen könnten. Dass sie selbst etwas beitragen dürften, halten sie für unrealistisch.

Unbestritten ist der LKR frei, für welche Kommunikationswege er sich entscheidet. Als Pfarrvertretung haben wir OKR Reimers darauf hingewiesen, dass es mühsam errungene, lange bewährte, dem Frieden dienende und gut funktionierende Formen der Kommunikation gibt. Dass diese gar nicht im Blick waren, setzt schon ein Ausrufezeichen!

Dazu kommt: Mit wie vielen Personen kann denn in diesem Format überhaupt ein Gespräch geführt werden, welche Qualität kann dieses haben und welche Binde- und Gestaltungskraft können wie immer gefundene Ergebnisse aus diesem Gespräch beanspruchen?

Dennoch: Ein Schritt nach vorne könnte es werden, wenn der Landeskirchenrat die von ihm ganz zurecht unterstrichene Haltung von Ehrlichkeit, Offenheit und Vertrauen auch bezieht auf die vorgelegten Zahlen und Prognosen und Wege der Entscheidungsfindung.

 

Landeskirchenrat legt mittelfristige Finanzplanung vor –

trotz Personal- und Finanzrückgang gibt es Grund zur Zuversicht

 

Der Landeskirchenrat hat zur Vorbereitung auf wichtige Finanzentscheidungen während der diesjährigen Herbstsynode eine klare mittelfristige Finanzplanung vorgelegt. Ausgangspunkt der Überlegungen bilden der deutliche Rückgang der Kirchensteuereinnahmen aufgrund der Corona-Epidemie (130 Mio. Euro weniger in 2020), die hohen Kirchenaustrittszahlen der letzten Jahre, sowie der erhebliche Rückgang im Personalbestand der ELKB.

Es gelte, so der Landeskirchenrat, in Zukunft nicht nur mit abnehmenden Finanzmitteln zu arbeiten, sondern mittelfristig auch mit deutlich weniger Mitarbeitenden. Doch trotz des Personal- und Finanzrückgangs sollen die kirchenweiten strategischen Reformprozesse weiter vorangetrieben werden. Durch die mittelfristige Finanzplanung will der Landeskirchenrat dafür eine verlässliche und kontinuierliche Rahmensetzung schaffen.

Für 2020 wurden ursprünglich 792 Mio. € an Kirchensteuern erwartet. Laut statistischem Bundesamt gingen die Steuereinnahmen tatsächlich um etwa 9% zurück. Das wären auf die Kirchensteuern bezogen aber nur etwa 71 Mio. € statt der angegebenen 130 Mio €! Weiter wird schon 2022 das Steuerniveau von 2019 überholt!
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/166381/umfrage/steuerein…

Die aktuelle Personalprognose der Personalabteilung rechnet mit einem ruhestandsbedingten Rückgang der Pfarrerinnen und Pfarrer um 50% bis zum Jahr 2035. Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich in anderen kirchlichen Berufsgruppen ab, mit Ausnahme der Diakoninnen und Diakone.

Die mittelfristige Finanzplanung des Landeskirchenrats basiert auf einem von der Finanzabteilung erarbeiteten Szenario und sieht vor, dass die Ausgaben im landeskirchlichen Haushalt bis 2030 um 19,5% reduziert werden müssen – im Vergleich mit den Ausgaben im Haushalt 2019.

Bereits in der Sitzung der Pfarrerkommission am 23. Oktober 2020 hatten wir moniert, dass in der mittleren Finanzplanung die Personalkosten Stand 2019 hochgerechnet werden – trotz des erheblichen Personalabbaus. Versprochen wurde eine Korrektur der Zahlen, die bis heute – „weil zu schwierig“ nicht erfolgt ist. Dennoch wird mit diesen Zahlen und einer daraus abgeleiteten Sparnotwendigkeit von 19,5% weiter argumentiert. Wie vertrauensvoll ist so ein Vorgehen?

Weniger Mitarbeitende kosten auch weniger. Und wer bereits im Ruhestand ist, verursacht keine Kosten mehr, denn sein Ruhegehalt muss beim Eintritt in den Ruhestand bereits angespart sein; die Kosten für die Versorgungsrückstellungen sind also bereits im aktiven Dienst angefallen.

Das beschädigt auch das Ansehen der Finanzabteilung, ein derart gravierendes Einsparvolumen anzukündigen, ohne den Personal- und Kostenrückgang einberechnet zu haben.

Die personellen Veränderungen (nach unten!) durch die großen Ruhestandsjahrgänge sind verlässliche Zahlen, hier wird es nur geringe Abweichungen geben, überwiegend weil Menschen vorzeitig gehen. Die Entwicklung der Zahlen der Interessierten wird anhand der Zahlen aus der Vergangenheit fortgeschrieben. Insgesamt lässt sich damit die Personalentwicklung relativ gut prognostizieren. Damit ist diese Zahl deutlich valider als die Finanzprognose. Erst recht, wenn man sich klar macht, dass solche Zahlen mehr von der Konjunktur abhängen, als von den Mitgliederzahlen und folgerichtig in der Vergangenheit sogar für  1 Jahr voraus nicht stimmten.

Die laufenden strategischen Gestaltungsprozesse sollen nicht durch zu starke finanzielle Einschnitte ausgebremst werden. Um die vielen kreativen Aufbrüche vor Ort zu unterstützen, schlägt der LKR vor, dass die landeskirchlichen Haushalte in den Jahren 2020-2022 ausnahmsweise einen Fehlbetrag ausweisen dürfen.

Zudem hat der Landeskirchenrat in seinen Einsparvorschlag von 19,5% bis 2030 auch Investitionsmittel in Höhe von 50 Mio. Euro eingerechnet. Der Landeskirchenrat setzt sich nachdrücklich dafür ein, dass die bayerische Landeskirche auch mit geringeren finanziellen Ressourcen eine kraftvolle, ausstrahlungsstarke Kirche bleibt.

Da wäre es nun schön, zu erfahren, wie das gehen soll. Werden Kirchen geschlossen, Kirchengemeinden zusammengelegt, Personal entlassen, Gehälter gekürzt?

Die Landessynode hat den Vorschlägen zugestimmt. Sie trifft die Letztentscheidung über alle Haushaltsfragen.

Es hängt nicht wirklich von einer Entscheidung des Landeskirchenrates ab, ob die Landeskirche „kraftvoll und ausstrahlungsstark“ ist, sondern von der Motivation aller. Allein fehlen hier die motivierenden Faktoren und Argumente.

Was hier unter „kreative Aufbrüche vor Ort“ subsummiert wird, bleibt unterbestimmt angesichts dessen, dass viele der angepriesenen Kreativideen nicht neu sind oder lediglich von einem wachsenden Heer an Beratern entworfen werden, um dann ins Leere zu gehen. Völlig außer Acht bleibt die gegenteilige Erfahrung vieler Kirchengemeindeglieder vor Ort, die besonders für die Engagierten und Ehrenamtlichen schmerzlich sind. Dazu gehören: die Nötigung, Immobilien, bis hin zu Kirchen und Pfarrhäuser aufzugeben – letztere, nachdem sie oft jahrhundertelang durch wirklich magere Zeiten gebracht wurden. Dann: Die Gängelung von ehrenamtlichem Engagement durch wachsenden Zentralismus (Bsp. Friedhofspflege), dann: die Vakanzen im Verkündigungsdienst, wachsende Ausgaben für Verwaltungsvorgänge …

Was wird getan, um die Kluft von beschönigender Selbstwahrnehmung der Kirchenleitung und der zunehmenden Entfremdung vor Ort nicht weiter wachsen zu lassen?

Der Landeskirchenrat betont in seinem Beschluss, dass es bei den anstehenden Entscheidungen – auch für ihn selbst – um eine Haltung gehe, die geprägt ist von Ehrlichkeit, Offenheit und Vertrauen. Ehrlichkeit mit Blick auf die sich verändernden Lebensbedingungen der Menschen und die Herausforderungen, die sich für die Kirche daraus ergeben, da bewährte Antworten nicht mehr genügen und die Kirche sich überall von Vertrautem verabschieden muss. Offenheit für neue und unterschiedliche Formen, den Glauben zu leben, die mit Kraft und Begeisterung bei haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden vor Ort in den vergangenen Jahren bereits erprobt wurden. Und Vertrauen, dass der Glaube die Kirche auch in Veränderungen trägt, da Christus in einer sich stetig verändernden Welt seine Kirche dahin führt, wo sie gebraucht wird, um die Liebe Gottes mit Leidenschaft zu bezeugen.

Ehrlichkeit, Offenheit und Vertrauen sind grundsätzlich gute Leitlinien. Allerdings müssten diese Begriffe für alles gelten, nicht nur für die genannten Bereiche.

Ehrlichkeit und Offenheit braucht es auch auf das, was schon da ist und was bisher geleistet wurde. Untersuchungen des sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD gehen davon aus, dass Kirche von Bindungen lebt, die sich in erster Linie über Gottesdienste, Kasualien, Lebensbegleitung, Seelsorge und Diakonie manifestieren und nicht etwa in plakativen Events.

Vertrauen gilt auch auf Gegenseitigkeit! Dazu gehören auch sinnvolle und kritische inhaltliche Rückfragen, die jede Organisation braucht, um sich weiter zu entwickeln.

Gegen Ehrlichkeit, Offenheit und Vertrauen ist sicherlich niemand. Allerdings hat schon allein der formale Stil der Einladung – an den Mitarbeitenden-Vertretungen vorbei – gezeigt, dass es sich hier, wie so oft, um einen top-down-Prozess handelt. Die Corona-Pandemie wird zum Anlass genommen, Prozesse anzustoßen, die der Landeskirchenrat für notwendig hält. Mitbestimmung, Partizipation und Transparenz spielen dabei leider keine oder eine nur untergeordnete Rolle.

Wo sind die „neuen Formen“ der Glaubensvermittlung und ihr Erfolg zu besichtigen? Gute und gelingende Beispiele wären in der Tat eine gute Motivation.

Die in den letzten Jahren begonnenen Reformprozesse "Profil und Konzentration", "Miteinander der Berufsgruppen", der neue Landesstellenplan sowie das Immobilienkonzept haben den Grundstein dafür gelegt, dass in den Gemeinden, Dekanatsbezirken und Einrichtungen nun gute Entscheidungen vor Ort getroffen werden können. Eine wichtige Rolle sollen dabei neue Formate teamorientierten Arbeitens spielen, sowie ein gabenorientierter Personaleinsatz; aber auch die Stärkung des Zusammenspiels von Haupt- und Ehrenamt und die konsequente Verknüpfung von Kirchengemeinde mit anderen Orten des Evangeliums im jeweiligen Sozialraum. Der Landeskirchenrat betont, dass trotz sinkender Finanzmittel von Entlassungen zumindest auf absehbare Zeit abgesehen werden kann.

Wer könnte denn entlassen werden? Weder langjährige Angestellte, noch verbeamtete…

Bei betriebsbedingten Entlassungen muss außerdem nach Sozialauswahl entschieden werden, damit verlieren wir die jungen und vergreisen noch mehr.

Die ELKB als Arbeitgeberin bleibt eine zuverlässige Arbeitgeberin. Gleichwohl sollten sich die Mitarbeitenden darauf einstellen, dass es zu einer Veränderung ihrer Aufgaben kommen kann.

Das könnte man als Beschäftigter als eine Drohung verstehen. Wer die „unbedingt notwendigen“ Veränderungen nicht mitträgt, der muss damit rechnen entlassen zu werden oder ist zumindest dann schuld daran, wenn der Reformprozess scheitert.

Wenn es 2035 sowieso 50% weniger Mitarbeitende gibt, weil der Arbeitgeber Landeskirche so unattraktiv ist, verwundert es, wenn über Entlassungen überhaupt nachgedacht wird.

Ist die Andeutung der Kündigungen also so zu verstehen: Junge Menschen sollten sich hüten, beim Arbeitgeber ELKB ihre Zukunft zu suchen, da die Kirchenleitung bereits Kündigungen für sie erwägt. Oder dient die Andeutung von möglichen Kündigungen nur der Einschüchterung, um in einer der reichsten Kirchen der Welt einen beispiellosen Abbau von Vor-Ort-Struktur durchzusetzen?

Für das Landeskirchenamt und den landesweiten Dienst wird der Landeskirchenrat bis zur Herbstsynode 2021 klare inhaltliche Prioritäten und Posterioritäten erarbeiten und der Synode zur Entscheidung vorlegen. Die durch PuK und Landesstellenplanung angelegte Stärkung der Regionen wird weiterhin mit einer sinnvollen Regionalisierung von Verwaltung und Dienstleistung verknüpft. Vor diesem Hintergrund steht auch eine rasche und grundlegende Überprüfung des Aufgabenzuschnitts des Landeskirchenamts und eine konsequente Dezentralisierung an. Die Abteilungen im Landeskirchenamt haben bereits begonnen, neue Konzepte zu erarbeiten. Das Zusammenspiel von Landeskirchenamt, Dekanaten und Kirchengemeinden soll gemeinsam überdacht und neu konzipiert werden.

Fazit: Mitglieder, Finanzen und Personal gehen zurück. Es muss überall gekürzt werden. Durch die strategischen Reformprozesse "Profil und Konzentration", "Miteinander der Berufsgruppen", Landesstellenplan und Immobilienkonzept wird daraus eine Erfolgsgeschichte für die Zukunft der ELKB, wenn die Mitarbeitenden bereit sind, sich auf die notwendigen Veränderungen einzustellen.

 

ALLGEMEINES

Welchen Charakter hat die Veranstaltung und was wird mit den „Ergebnissen“?

Wie wird vermieden, dass einzelne Fragen überbewertet oder ignoriert werden? Wie wird dokumentiert, was Leute gern gesagt hätten? Oder geschrieben haben?

Eine Großveranstaltung ist immer auch Verlautbarung, selbst wenn sie sich Gespräch nennt. Es können maximal einzelne Vertreter gehört werden. Damit das gut funktioniert, müssten diese repräsentativ sein – und eine Möglichkeit haben, dem massiven Wissensvorsprung zu kontern, sie müssen ja weitgehend unvorbereitet reden, da sie nicht wissen, was kommt. Eine Online-Veranstaltung verstärkt das noch.

Ein Gespräch wird so sicher nicht möglich sein. Es sei denn, es dürfen nur einzelne reden. Und wer wählt die dann aus?

Unklar ist, wie Rückmeldungen möglich sind und wie wer oder was ausgewählt, beantwortet oder bearbeitet wird.

Es ist zu befürchten, dass über ein solches Format „Beteiligung“ suggeriert und im Nachhinein behauptet wird. Echte Beteiligung ist das nicht!

Die „Dokumentation“ der Rückmeldungen in anderen Prozessen mittels Foto-Wänden von bunten Zetteln hat dazu geführt, dass die Diskussionsbeiträge als Schlagwort im Rückblick kaum verständlich sind und in der Masse untergehen. Letztlich spielten sie für die Ergebnisse keine Rolle. Nun werden wohl wieder Voten von den Veranstaltern herausgepickt werden, die sich gut für den geplanten Verlauf eignen.

Begrenzte Kapazitäten verstärken das Problem, dass nicht alle und nicht repräsentativ informiert und gehört werden kann

Außerdem fehlt eine Info-weitergabe oder Rückkopplung, weil man auf das Knowhow der gewählten Vertretungen verzichtet.

Es ist zu hoffen, dass über diese Veranstaltung hinaus echte Wege der Beteiligung begonnen werden. Dafür gäbe es eigentlich Strukturen.