Die Frühjahrstagung des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins in Rothenburg ob der Tauber vom 23.-24. April 2018 befasste sich in diesem Jahr thematisch mit dem Reformprozess der evangelischen Kirchen. Dazu refererierten am Montag Prof. Dr. Gisela Kittel aus Bielefeld und Pfarrer Andreas Dreyer, Vorsitzender des Hannoverschen Pfarrvereins, der von den Folgen des Reformprozesses seiner Landeskirche berichtete. Die erste Vorsitzende Corinna Hektor, legte am Dienstag in ihrem Vorstandsbericht, einem „Wetterbericht“, die Großwetterlage und ihre Ausläufer der Arbeit in der Landeskirche und des Pfarrervereins dar.
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Kirche muss sich nicht dem Zeitgeist anpassen
Das Kirchenverständnis der Reformatoren und die Bilder zu Kirche im Neuen Testament nahm Professorin Gisela Kittel in ihrem Vortrag in den Blick, um abschließend einige kritische Fragen an den gegenwärtigen Reformprozess der Evangelischen Landeskirche in Bayern zu stellen. Die Pfarrer im voll besetzten Saal des Wildbad Rothenburg folgten gespannt ihren Ausführungen. Prof. Dr. Kittel bezog sich zunächst auf verschiedene Stellen in Luthers Schriften Sein Nachdenken über die „wahre Kirche“, so Kittel, begann aufgrund des Bannes. Kann eine Kirche überhaupt aus dem Heil verbannen, so fragte sich Luther. Er kam zu dem Schluss, dass man aus der äußeren, der sichtbaren Kirche, der Gemeinde ausgeschlossen werden könne, nicht aber aber aus der „inneren“, der Gemeinschaft mit Gott und dem Heiligen Geist die Kirche. In seinen „notae ecclesiae“ legte der Reformator dar, welche Zeichen nötig seien, um Kirche zu sein. Die Grundlage für die Kirche sei stets orientiert an Gott und Jesus Christus. Auch andere Reformatoren wie Calvin und Zwingli seien zu ähnlichen Erkenntnissen gekommen. So formulierte Zwingli, dass das Wort Gottes die Kirche mache wie etwas in seiner „Institutio“ und seinem Kommentar zur Apostelgeschichte. Für die Reformatoren definiert sich Kirche nicht an ihrer Struktur und Hierarchien, sondern an Gottes Wort, dem Evangelium und dem Herrn, Jesus Christus.
Bei ihrem Blick ins Neue Testament führte Prof. Dr. Kittel eine ganze Reihe an Bildern auf, die sich dort für die Kirche finden lassen. So etwa das Bild vom Tempel als Ort des Heils, dem Körper Christi, dem Weinstock und seine Reben und das Bild der Parochie, der Gemeinden.
Im dritten Teil ihres Vortrages stellte Sie Fragen an den derzeitigen Reformprozess in der ELKB. Die Theologin fragte unter anderem „Wer ist die ELKB?“. Schlüsselsätze in dem Reformpapier würde stets mit „die ELKB“ anfangen. Aber müsste es nicht „die Gemeinden“ heißen? Die Referentin appellierte durch ihre Fragen, sich mehr auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich am Wort Gottes und an Jesus Christus zu orientieren. Die Kirche sei eine „ecclesia semper reformanda“, aber das bedeute nicht, dass die Kirche sich dem Zeitgeist anpassen müsse. Stattdessen solle sich die Kirche innen wieder zurückreformieren auf Christus. „Nicht wir sind es, die die Kirche bauen, entwickeln und in die Zukunft führen. Nein, Jesus Christus ist, der versammelt, schützt und erhält.“
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Von nicht erfüllten Hoffnungen und Erwartungen
„So schlecht stehen Sie in Bayern gar nicht da“, so Pfarrer Andreas Dreyer, Vorsitzender des Pfarrvereins der Hannoverschen Landeskirche. Die Statistik zeige, dass die Evangelische Kirche in Bayern im Vergleich den anderen Landeskirchen in Deutschland weniger Austritte in der Kirche zu verzeichnen habe. In seinen Ausführungen zum „Aktenstück 98“, dem Reformprozess der Hannoverschen Landeskirche zeigte Dreyer auf, was passiert, wenn Reformen nicht erreichen, was sie versprochen, erhofft und erwartet haben und was deren Folgen sind. Anhand verschiedener Grafiken und Beispielen wurde eindrücklich dargelegt, dass gerade da, wo die Kirchen vor Ort fast schon langweilig und normal ihren Dienst täten, die Zahlen der Gemeindeglieder stabil blieben, an manchen Orten sogar zunähmen, währen an Orten, in denen auf große Leuchtturmprojekte gesetzt wurde, die Zahlen zum Teil drastisch abgenommen hätten.
Dreyer warnte davor, dass Reformen weg von der Gemeinde zugleich auch eine Entfernung von den Menschen vor Ort nach sich zögen. Dabei sei ein Blick in die V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung aufschlussreich. Für 69 Prozent der Befragten ist der Bezug zur Ortsgemeinde entscheidend. In Hannover wurden allerdings „Leuchttürme“ gefördert, während es für die Pfarrstellen allgemein keinen Bestandsschutz gab. An dieser Stelle wurde eher eine Einsparungsmöglich gesehen. Somit wurden Pfarrstellen für eine vermeintliche „Zukunftsfähigkeit“ geopfert. Dies führte zu einer „Lähmung der Pfarrerschaft“. Übergemeindliche Stellen gewannen an Attraktivität, während die normalen Gemeindestellen ihre Anziehungskraft verloren. Die gesteckten Ziele der „Leuchttürme“ wurden nicht erreicht, dafür aber ein hoher Preis bezahlt, wie die Zahlen belgen. Kritisch sah Dreyer vor allem, dass Bestehendes schlecht geredet werde. Dabei zeige die Tabelle, dass etwa die Bayerische Landeskirche im Vergleich mit den anderen Landeskirchen noch verhältnismäßig gut dastehe. Dies sei ein Hinweis darauf, dass die bayerische Landeskirche noch einigermaßen nahe an den Erwartungen der Menschen sei. Dreyer appellierte an seine bayerischen Kollegen, sich nicht einreden zu lassen, dass in anderen Landeskirchen die Reformen gezündet hätten. Es habe hohe Erwartungen gegeben, die jedoch nicht erfüllt werden konnten. Bei aller Reform, die in Bayern anstünde, riet er in zum Schluss, „alles muss Maß und Ziel haben, damit man nicht das Kind mit dem Bad ausschüttet.“
Alle Welt schaut nach Bayern
Andreas Kahnt, der Vorsitzende des Pfarrerverbandes sprach in seinem Grußwort auf erfrischende und humorvolle Art davon, dass alle anderen gerne auf Bayern schaue, weil es dort für so manches in anderen Landeskirchen wegweisend gewesen sei. Die derzeitigen Diskussionen und Entwicklungen innerhalb der ELKB lassen allerdings bei den Kollegen außerhalb Bayerns Besorgnis aufkommen.
Texte: Pfarrerin Veronika Kaeppel
Andreas Dreyer, Vorsitzender des Prof. Dr. Gisela Kittel, Detmold |
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